22. Januar 2017

Das Phablet von gestern

Seit einiger Zeit haben wir mehrere Varianten des EPSON HX-20 in unserer Ausstellung, die noch funktionieren. Das Interessante an diesem Universalgerät ist, dass es noch bis vor nicht allzu langer Zeit im Einsatz bei der deutschen Bundeswehr war, und zwar als Feuerleitrechner, was auch immer das genau für ein Zweck ist. Dieses Gerät wird im allgemeinen als erster Handheld und erster Laptop der Welt angesehen, und nach einigen praktischen Erfahrungen mit dieser kleinen Maschine, die ungefähr so gross ist wie eine A4-Seite und etwa so dick wie ein dünnerer Aktenordner, zeigt sich doch einiges an interessanten Details, die sich in modernen tragbaren Computern, insbesondere solchen, die auch als "phablets", als Zwischending zwischen "smartphone" und "tablet", teils auch sogar "laptop" heute sehr beliebt sind. Fangen wir doch beim Prozessor an. Es handelt sich - und das 1982, als die Geräte tatsächlich auf den Markt kamen, um 2 gleiche Prozessoren, man könnte als von einem "dual core" System sprechen. Als Bildschirm diente eine LCD-Punktmatrixanzeige, die sowohl 4 Zeilen Text, als auch Grafik mit einzeln ansteuerbaren Bildpunkten darstellen konnte. Zugegeben, das ist nicht viel und Graustufen gab es auch nicht. Dafür war die Anzeige aber sehr gut bei Tageslicht lesbar, was durch einen gut zugänglichen Kontrastregler an der Seite unterstützt wurde. Und sie war sehr energiesparend, so dass das Gerät mit 4 NiCd-Akkuzellen, etwa einer Grösse "baby" entsprechend, einige Stunden über die Runden kam. Das vollständige Aufladen dieser langlebigen Akkus, die in unseren Geräten auch nach über 30 Jahren immer noch funktionieren (!), dauert etwa 8 Stunden. Die Betriebsspannung seitens das Batterie beträgt 4.8V, so dass es auch kein Problem ist, wenn die Akkus mal versagen. Es gibt sie heute noch in diesem Format verschweißt zu kaufen, und wenn es sie mal nicht mehr gibt, lassen sich auch andere NiMH oder NiCd-Akkus einbauen. Eines der Geräte, das eine Seriennummer im 900er-Bereich hat, also eines aus der frühen Phase der Fertigung habe soeben, zwischen dem 5.1.2017 und dem 7.1.2017 einen Laufzeit-Test mit ca. 44h Dauerbetrieb in Endlosschleife mit Display-Ausgabe mit einer Akkuladung absolviert. Das kann sich auch heute noch für einen tragbaren Rechner sehen lassen. Das Programm sah so aus:

10 I=0
20 I=I+1
30 PRINT I
40 GOTO 20

Die Tastatur war "normal groß", sie ermöglichte ein angenehmes Schreiben. Mit integriert war ein kleiner Matrixdrucker, wie er heute noch in diversen Kassen zu finden ist. Es war kein Thermodrucker, sondern ein Nadeldrucker mit endlos-Farbband. Da der Drucker auch heute noch vielerorts in Gebrauch ist, kann man nach wie vor bei EPSON die Farbbänder kaufen. Das ist schon außergewöhnlich für ein solch altes Gerät. Typischerweise wurde das Gerät mit einem Diktiergerät-artigen Kassettenrecorder ausgeliefert, der als Massenspeicher diente. Dieser verfügte über einen elektronischen Bandzähler, der ausschließlich mittels Befehlen zu steuern war. So entfiel auch unterwegs das lästige manuelle herumspulen von Bändern. Man konnte ganz einfach ein Directory-Listing auf den Drucker für jedes Tonband ausgeben und mit der Kassette in die jeweilige Schachtel zum Aufbewahren geben. Wollte man ein Programm laden, konnte man mit dem Befehl "WIND" - das System verfügte wie damals üblich über ein eingebautes, reichhaltig erweitertes BASIC als Programmiersprache - an eine bestimmte Stelle des Bandes gespult werden und dann von dort aus gelesen werden. Praktisch. Für diejenigen, die in dem Erweiterungsschacht ein anderes Modul aus den Kassettenrecorder eingebaut hatten, gab es natürlich auch die Möglichkeit, einen externen Kassettenrecorder anzuschließen.

Nun war das Gerät zwar eine praktische Maschine für unterwegs, doch war tat man zu Hause, wo andere Rechner dieser Zeit sich an einen größeren Bildschirm wie den Fernseher anschließen ließen? Auch hier hatte EPSON eine Lösung, die wir leider nicht im Museum zeigen können: einen externen Bildschirmadapter, der eine wesentlich größere Anzeige auf ein Videodisplay ausgehen konnte, und das ganze in Farbe.

Weiterhin gab es eine serielle RS232-Schnittstelle. U.a. war sie es, die das Gerät zum Universalcomputer machte. So wurde der HX-20 auch als HT-II ausgeliefert in Funktion eines sog. "teach pendant", einem Handprogrammiergerät für EPSON/Seiko Industrieroboter-Controller. Einen solchen haben wir im Museum, vom Typ "Accusembler". Hier hat EPSON einfach das BASIC-ROM gegen ein SPEL-ROM, der den HX-20 zu einem seriellen Terminal macht, mit dem man die Roboter-Programmiersprache SPEL des Controllers per Kommandozeile bedienen kann, umfunktioniert. Dazu ist anzumerken, dass es keine relevante Hardwareanpassung braucht, und das "tech pendant" war, auch für heutige Verhältnisse, luxuriös. Es war klein und leicht, hatte aber sogar einen Drucker für Listings und Koordinatendaten, und einen Massenspeicher aufgrund des Tonbands für Backups oder zum Einspielen von Software.

Schließlich ermöglichte RS232 auch da Anschließen an Akustikkoppler und Modems, und auch BASIC unterstützte diese Funktionalität. So war das Gerät grundsätzlich auch netzwerktauglich. Für Firmen, die gerne ihr eigenes ROM verwenden wollten, war das Gerät auch wie gemacht: Unten befindet sich eine Klappe, darunter IC-Sockel zur Aufnahme alternativer und zusätzlicher ROMs. Ferner befindet sich hier ein DIP-Schalter zur Auswahl des Tastaturlayouts mit passendem Zeichensatz (LCD, Drucker) unabhängig vom Aufdruck auf der Tastatur.

Zusammenfassend kann man wirklich sagen, der HX-20 war der Pionier der mobilen Geräte. Er hatte eigentlich alle technischen Voraussetzungen, die man heute nach wie vor nicht missen möchte. Und das ganze gab es im übrigen schon 1982. Viele Rechner, die auf dem HX-20 folgten, hatten zahlreiche der Merkmale wieder nicht mehr, bis in die heutigen Tage, in denen Multi-Core CPUs auch in mobilen Geräten wieder der Standard sind.

Autor: Jürgen Hench

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